Altersvorsorge: Schweizerinnen und Schweizer sind solidarisch

Studie
Für die Erwerbstätigen zwischen 20 und 65 Jahren ist die Solidarität in der Vorsorge wichtig, vor allem in der AHV. Aber auch in der 2. Säule ist sie wichtig. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.
10. September 2024
Geschrieben von
Corinne Galliker
Kommunikationsverantwortliche

Die Hochschule Luzern (HSLU) hat die Schweizer Bevölkerung erneut zum Thema Altersvorsorge befragt. Im Zentrum des diesjährigen VorsorgeDIALOGs stand das Thema Solidarität. Dies auch vor dem Hintergrund der Abstimmung über die 13. AHV-Revision, die am 3. März 2024 von Volk und Ständen angenommen wurde, und der bevorstehenden Abstimmung über die BVG-Reform.

Unter Solidarität werden in der Studie Umverteilungseffekte sowohl von Besserverdienenden zu Personen mit tieferen Einkommen als auch von Jung zu Alt verstanden. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Solidarität in der Altersvorsorge für viele Versicherte wichtig ist, dass aber auch Unterschiede zwischen der 1. und der 2. Zudem können viele Befragte das Ausmass der bestehenden Umverteilung nicht einschätzen.

Riesige Solidarität in der AHV
Die Solidarität in der 1. Säule ist gross: Eine überwältigende Mehrheit will Altersarmut vermeiden und dies solidarisch finanzieren. Nur knapp 1 Prozent der Befragten will gar nichts dafür finanzieren. «Diese hohe Solidarität spiegelt die Rolle der AHV als Umverteilungsgefäss für Personen mit tieferen Einkommen», sagt Studienleiterin Prof. Dr. Yvonne Seiler Zimmermann. Mehr als die Hälfte der Befragten ist zudem der Meinung, dass bei einer allfälligen Sanierung der 1. Säule die Rentnerinnen und Rentner nicht durch Rentenkürzungen belastet werden dürfen. Mit 70 Prozent sind sich die Befragten auch einig, dass eine Umverteilung nicht ausschliesslich zu Lasten der Familien gehen darf. «Die Vermeidung von Altersarmut wird klar als gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen», so die Ökonomin der HSLU.

Finanzierung über die Mehrwertsteuer erhält tieferen Zuspruch
Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Befragten spricht sich für eine noch stärkere Umverteilung in der AHV aus. "Das ist bemerkenswert", sagt Seiler Zimmermann, "denn mit der in diesem Jahr beschlossenen 13. AHV-Rente wurde die Umverteilung bereits stark erhöht. Weiter zeigt die Studie, dass mehr Personen eine Umverteilung über höhere Lohnbeiträge (26 Prozent) als über die Mehrwertsteuer (21 Prozent) oder Beiträge von Bund und Kantonen (17 Prozent) wünschen. Mit 31 Prozent sind aber auch viele der Meinung, dass das Ausmass der Umverteilung in der AHV gerade richtig ist.

Zudem zeigt sich, dass viele Befragte keine klare Meinung zum Ausmass der heutigen Umverteilung haben: Der Anteil der «weiss nicht»-Antworten liegt je nach Art der Leistung zwischen 25 und 39 Prozent. «Dies könnte darauf hindeuten, dass sich viele Versicherte über das Ausmass der Umverteilung gar nicht bewusst sind», sagt die Vorsorgeexpertin.

2. Säule: Überraschend beliebt
In der 2. Säule ist die Solidarität nicht in allen sozioökonomischen Gruppen gleich stark ausgeprägt: 42 Prozent der Befragten finden eine Umverteilung in der 2. Säule als gerechtfertigt. Eine knappe Mehrheit lehnt dies ab. «Unsere statistischen Modelle zeigen, dass Personen, die eine solche Umverteilung befürworten, eher finanziell schlechter gestellt sind», sagt die Studienleiterin. Mit anderen Worten: Die Solidarität von Personen mit höherem Einkommen gegenüber Personen mit tieferem Einkommen ist in der 2. Säule weniger stark ausgeprägt.

Auch wenn die Solidarität in der 2. Säule deutlich geringer ist als in der 1. Säule, überrascht das Ausmass für die Ökonomin der HSLU: «Im Gegensatz zur AHV wird in der 2. Säule kapitalgedeckt angespart. Das heisst, sie eignet sich nicht, um sozialpolitische Ziele zu erreichen. Auch wenn es mehr Gegner als Befürworter einer Umverteilung in der 2. Säule gibt, ist die Solidarität dennoch als hoch einzustufen», sagt Seiler Zimmermann. Eine Umverteilung wird insbesondere dann befürwortet, wenn tiefe Einkommen nicht auf eine freiwillige Reduktion des Arbeitspensums, sondern auf tiefere Stundenlöhne zurückzuführen sind.

Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) lehnt eine Beteiligung der Rentnerinnen und Rentner - unabhängig von ihrem Einkommen - an der Sanierung der Vorsorgeeinrichtung in Form von Rentenkürzungen ab. Eine Beteiligung ab einem bestimmten Mindesteinkommen findet hingegen mehr Zustimmung: Nur 28 Prozent der Befragten lehnen dies ab. Auch hier zeigt sich ein soziodemographischer Graben: Ältere Personen, Personen mit geringem Vermögen, aber auch Personen mit finanzieller Bildung lehnen eine Beteiligung der Rentnerinnen und Rentner an der Sanierung eher ab.

Vorsorgebewusstsein nach wie vor tief
Neben dem Schwerpunktthema Solidarität untersuchte die Studie auch dieses Jahr das Finanz- und Vorsorgewissen der in der 2. Säule Versicherten. «Das Vorsorgewissen hat sich leider nicht verbessert, obwohl sowohl im letzten als auch in diesem Jahr im Rahmen von wichtigen Abstimmungen viel darüber diskutiert wurde», sagt die Studienleiterin.  Wie schon im Vorjahr ist das Vorsorgewissen trotz hohem Interesse bescheiden.

«Bemerkenswert ist erneut, dass die Wissenslücken im Bereich der privaten Altersvorsorge besonders gross sind», sagt Seiler Zimmermann. Mehr als die Hälfte der Befragten gehe fälschlicherweise davon aus, dass jeder in die Säule 3a einzahlen könne - auch ohne Erwerbseinkommen. Ebenfalls fast die Hälfte ist der Meinung, dass eine Einzahlung in die 2. Säule in jedem Fall möglich ist, auch wenn es verschiedene Einschränkungen gibt.

Problematisch sei nicht in erster Linie, dass Personen angeben, etwas nicht zu wissen. «Diese Personen sind sich bewusst, dass sie etwas nicht wissen und können sich bei Bedarf entsprechend informieren», so Seiler Zimmermann. «Ist sich eine Person jedoch nicht bewusst, dass ihr Wissen unvollständig oder falsch ist, wird sie sich nicht informieren. Die Folge sind unweigerlich Fehlentscheide», warnt die Vorsorgeexpertin.

Jörg Odermatt, Verwaltungsratspräsident von PensExpert, ergänzt: «Diese von Jahr zu Jahr gleich bleibenden Ergebnisse zeigen, dass es sinnvoll wäre, wenn alle Schweizerinnen und Schweizer ein persönliches Vorsorgecockpit hätten, in dem sie sehen, welche Leistungen sie im Alter aus allen Säulen erwarten können. Die heutigen Vorsorgeausweise erfüllen diese Funktion leider nur unvollständig. Hier besteht Handlungsbedarf.»

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Studie «VorsorgeDIALOG 2024»

Geschrieben von
Corinne Galliker
Kommunikationsverantwortliche