Mehr Flexibilität beim Rentenbezug zulassen

Vorsorgereform
Mit wenigen unbürokratischen Reglementanpassungen könnten Pensionskassen ihren Versicherten eine bessere Altersvorsorge ermöglichen, wenn diese über das Pensionsalter hinaus noch arbeiten möchten.
26. März 2024
Geschrieben von
Mario Bucher
Produkt- und Prozessentwicklung

Mehr und mehr Menschen bleiben auch über das Erreichen des Pensionsalters hinaus erwerbstätig. Gemäss Daten des Bundesamts für Statistik waren zwischen 2018 und 2020 rund 30% der 66-jährigen Männer und etwa 22% der 65-jährigen Frauen nach wie vor erwerbstätig. Selbst mit 70 war bei vielen noch nicht ganz Schluss: Knapp jeder fünfte Mann und jede zehnte Frau ging in diesem Alter noch einer bezahlten Arbeit nach, wenn auch oft in einem tiefen Pensum.

Dieser Trend wird voraussichtlich weiter zunehmen, bedingt durch die steigende Lebenserwartung und den Mangel an qualifiziertem Personal. Viele fühlen zudem das Bedürfnis, ihre finanzielle Situation im Alter zu verbessern.

Kreis der Dreifachverdiener

Doch steuerlich werden Menschen, die nach der eigentlichen Pensionierung eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, benachteiligt. Denn ab dem Zeitpunkt des beruflichen Wiedereintritts nach der ordentlichen Pensionierung zählen sie zum Kreis der Dreifachverdiener.

Neben dem Einkommen aus der Erwerbsarbeit werden auch Steuern auf die Renten aus der ersten und der zweiten Säule fällig. Durch die progressiven Steuersätze wird das zusätzliche Einkommen überproportional besteuert. Auch sind die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten kleiner als vor der Pensionierung. Damit steigt die Steuerbelastung auf ein Niveau, das das Arbeiten im Pensionierungsalter unattraktiv macht und bei Arbeitswilligen den Ausschlag gibt, den Ruhestand zu geniessen und nicht weiterzuarbeiten.

«Erwerbstätige Pensionierte könnten doppelt profitieren.»

Mario Bucher, Verantwortlicher Produkt- und Prozessentwicklung PensExpert AG

Dieser Missstand könnte einfach behoben werden. Viele erwerbstätige Pensionierte könnten vorübergehend auf die Rente aus der Pensionskasse verzichten und ihren Lebensunterhalt mit dem Erwerbseinkommen und der AHV-Rente finanzieren. Ein solcher Unterbruch der Pensionskassenrente während der erneuten Erwerbstätigkeit würde die Steuerlast massiv reduzieren. Viele arbeitstätige Pensionierte könnten so mehrere tausend Franken pro Jahr an Steuern sparen. Da die Altersrente während einiger Monate oder sogar Jahre nicht bezogen werden würde, würden die Betroffenen nachWiederauslösung der aufgeschobenen Pensionskassenrente zudem von einem attraktiveren Umwandlungssatz und damit einer höheren Rente profitieren. Erwerbstätige Pensionierte, die sich für ein solches Stop-&-Go-Modell der Rente aus der zweiten Säule entscheiden würden, könnten also doppelt profitieren.

Sollte während oder nach der Unterbrechung der Pensionskassenrente die versicherte Person unerwartet versterben, ginge die aufgeschobene Rente nicht verloren. Stattdessen würde sie in die Berechnung der Hinterlassenenrente einfliessen, die sich dadurch erhöhen würde. Eine solche Sistierung der Pensionskassenrente wäre unter dem geltenden Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) auch problemlos möglich.

Einmalige Sistierung

In den allermeisten Reglementen der Pensionskassen ist ein solches Stop & Go derzeit hingegen noch nicht vorgesehen. Wer sich heute mit 65 pensionieren lässt, kann sich danach bei einer erneuten Aufnahme der Erwerbstätigkeit keiner Pensionskasse mehr anschliessen.

Eine Sistierung beziehungsweise Wiederauslösung der Pensionskassenrente liesse sich jedoch rasch und unkompliziert umsetzen. Um die Pensionskassenverwaltung dennoch vor einem potenziellen Ansturm zu schützen, wäre es sinnvoll, pro Versicherten nur eine einmalige Sistierung der Altersrente zuzulassen. Gibt die Person die erneute Erwerbstätigkeit auf und bezieht wieder die Pensionskassenrente, kann diese kein zweites Mal unterbrochen werden. Schliesslich ist eine Sistierung immer freiwillig. Denn trotz steuerlicher Vorteile und der Aussicht auf eine höhere Pensionskassenrente dürften sich aus verschiedensten Gründen nicht alle erwerbstätigen Pensionierten für die Sistierung entscheiden.

Dem Missbrauch einer solchen Regelung sollte mit einem festgesetzten Mindesteinkommen der Riegel geschoben werden. Als Schwelle dafür würde sich der Freibetrag für erwerbstätige Rentner gemäss den Bestimmungen der AHV anbieten, der derzeit 16800 Fr. beträgt. Eine nicht begründete Sistierung der Pensionskassenrente durch die Aufnahme eines Kleinstpensums liesse sich so ohne zusätzlichen Aufwand für die Pensionskassenverwaltung verhindern.

Spätestens bei Erreichen des siebzigsten Geburtstags muss die Pensionskassenrente in jedem Fall reaktiviert werden, um nicht in Konflikt mit den gesetzlichen Bestimmungen des BVG zu kommen. Wer also über das Alter von siebzig Jahren hinaus arbeitet, steigt wieder in den Kreis der Dreifachverdiener auf. Viele Arbeitnehmer beenden ihre Erwerbstätigkeit aber ohnehin zu diesem Zeitpunkt.

Dieser Artikel erschien erstmalig auf «Finanz und Wirtschaft».

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Originalartikel der Finanz und Wirtschaft

Geschrieben von
Mario Bucher
Produkt- und Prozessentwicklung