Steuern und Vorsorge – ein ewiges Spannungsfeld?

Steuern
Am 1. Januar 2024 feiert das dritte Paket der BVG-Revision seinen 18. Geburtstag. Im Jahr 2006 wurden wegweisende Bestimmungen in das Gesetz eingeführt, die nicht nur dem Kampf gegen steuerlichen Missbrauch dienten, sondern auch offene Auslegungsfragen klären sollten. Nun ist es an der Zeit, eine umfassende Bilanz zu ziehen und den aktuellen Stand zu überprüfen.
19. Februar 2024
Geschrieben von
Cyrill Habegger
Leiter Steuern, dipl. Steuerexperte

Einleitung

Um Privatpersonen zu motivieren, fürs Alter vorzusorgen und dereinst finanziell genug gut aufgestellt zu sein, wird die Vorsorge in der Schweiz steuerlich begünstigt. Auch für sogenannte Arbeitgeberbeiträge gilt diese Begünstigung. Dies ist im Bereich der zweiten Säule schon seit Einführung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) im Jahr 1985 der Fall. In den ersten Jahren nach Inkrafttreten wurde das neue Instrument «Pensionskasse» von findigen Versicherern und Beratern allerdings teilweise als «Steuersparvehikel» missbraucht. So mussten sich zuerst Steuerverwaltungen und Gerichte, später auch der Gesetzgeber daran machen, die Regelungen so zu beschränken, dass dem ursprünglichen Kerngedanken wieder Rechnung getragen wird. Es sollte durch steuerliche Anreize eine sinnvolle und hinreichende berufliche Vorsorge erreicht werden und nicht eine Umkehr der Motivation stattfinden, d. h. dass man nach einem Weg sucht, Steuern zu sparen und mangels Alternativen die berufliche Vorsorge dazu «missbraucht».

Am 1. Januar 2006 ist mit der dritten Etappe der 1. BVG-Revision das grösste Gesetzespaket mit dieser Stossrichtung in Kraft getreten. Dieses beinhaltet die steuerlich relevanten Bestimmungen wie den Begriff der Vorsorge, den versicherbaren Lohn, den Einkauf von Beitragsjahren sowie Missbrauchsbestimmungen.

Jetzt, anfangs 2024, werden diese Bestimmungen volljährig. Höchste Zeit also, um eine Auslegeordnung zu machen. Das Spannungsfeld ist unverändert: Wo wurden in den vergangenen Jahren und auch heute vorsorgerechtlich sinnvolle und gewünschte Vorgehensweisen von den Steuerämtern vielleicht etwas zu kritisch qualifiziert und wo werden Steuersparmodelle über wenig sinnvolle Vorsorgelösungen gefahren, was zurecht unterbunden wird.

Rückblick

Das 3. Paket der 1. BVG-Revision

Mit dem 3. Paket im Rahmen der ersten umfangreichen BVG-Revision wurden nach dem 1. Paket am 1. April 2004 und dem 2. Paket am 1. Januar 2005 eine Vielzahl von Normen in das Vorsorgerecht per 1. Januar 2006 aufgenommen, welche die damalige Praxis zur steuerlichen Anerkennung der beruflichen Vorsorge weitgehend abbildeten.1 Neben dem BVG wurden auch das ZGB sowie diverse Verordnungen angepasst. Kernstück bildet der neue Art. 1 BVG mit einer Zweckbestimmung der beruflichen Vorsorge und einer Legaldefinition, welche Grundsätze einzuhalten sind. Die Begriffe «Angemessenheit», «Kollektivität», «Gleichbehandlung», «Planmässigkeit» und «Versicherungsprinzip» dürften den meisten Leserinnen und Lesern bestens bekannt sein. Diese Prinzipien (und was sie bedeuten) finden sich seit dem 1. Januar 2006 in den allerersten Verordnungsbestimmungen der BVV2.

Weitere bemerkenswerte Neuerungen von damals waren die Bestimmungen gemäss Art. 79b BVG (insbesondere Absatz 3 betreffend die Sperrfrist für Kapitalbezüge nach Einkäufen in die berufliche Vorsorge), Grundlagen rund um Einkaufsberechnungen und die Beschränkung des maximal versicherbaren Einkommens auf den zehnfachen oberen Grenzbetrag gemäss Art. 8 Abs. 1 BVG (damals 774 000 Franken, heute [2024] 882 000 Franken).

Entwicklung in den letzten Jahren

Es ist jedoch nicht so, dass seit dem 1. Januar 2006 alle offenen Fragen rund um die Schnittstelle Steuern/berufliche Vorsorge geklärt wären. Die Rechtsprechung und auch der Gesetzgeber blieben in den letzten Jahren nicht untätig. Zu denken sind hier z.B. an diverse neue Regeln rund um sogenannte 1e-Pensionskassenpläne oder auch die mannigfaltige Rechtsprechung rund um Art. 79 Abs. 3 BVG. In diesem Artikel ist eine Sperrfrist festgehalten, die es verbietet, Pensionskasseneinkäufe innerhalb von drei Jahren wieder als Kapital zu beziehen. Die Lesart der Bestimmung war jedoch kontrovers und letztendlich musste das Bundesgericht mit Entscheid vom 12. März 2010 (2C_658/2009) diverse Fragen klären. Am Schluss resultierte eine verhältnismässig strenge «verobjektivierte» Anwendung der Sperrfrist. Zur steuerrechtlichen Tragweite des Entscheids hat die Schweizerische Steuerkonferenz eine Analyse verfasst, welche die Fragestellungen und die auch heute noch geltende steuerliche Interpretation wiedergibt. Doch genau die Frage, wie Art. 79 Abs. 3 BVG zu lesen ist, beschäftigt Praxis und Gerichte weiterhin, wie an einem Beispiel zu zeigen sein wird. Dies trotz allen Bemühungen, Steuerrecht und Vorsorgerecht in Einklang zu bringen. Diese Diskrepanz und – je nach Blickwinkel – auch eine strenger werdende steuerliche Betrachtungsweise von Vorsorgefragen, sieht man in verschiedensten Bereichen.

Typische Fragestellungen

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden nachfolgend einige Fragestellungen beleuchtet, bei welchen die vorsorgerechtliche Sicht von der steuerlichen Qualifikation scheinbar divergiert oder bei denen es bereits steuerrechtlich unterschiedliche Haltungen gibt. Es ist aber vorab festzuhalten, dass in vielen Bereichen

Vorsorge- und Steuerrecht gut harmonieren, als ein Beispiel von vielen sind hier Wahlpläne (Art. 1d BVV2) zu nennen, im Rahmen derer nach unseren Erkenntnissen kaum je Diskussionsbedarf gegeben ist, da die Vorsorgeeinrichtungen wissen, wo die Grenzen sind und die Pläne entsprechend gestalten. Umgekehrt gibt es durch Steuerverwaltungen kaum je Korrekturen in diesem Bereich.

«Umgekehrte» Anwendung der Dreijahressperrfrist

Wie bereits erwähnt wurde der Art. 79 Abs. 3 BVG ins Gesetz eingefügt, um einen einheitlichen Standard zu schaffen, wann die «kurzfristige» Platzierung von Geldern in der Vorsorge (mittels steuerbegünstigtem Pensionskasseneinkauf) und nachfolgendem Kapitalbezug (mit privilegierter Besteuerung) als missbräuchlich zu werten ist. Der Gesetzeswortlaut wurde schon in der Vergangenheit kontrovers diskutiert und führte zu den erwähnten Urteilen und Analysen. Nach wie vor offen ist jedoch die Frage, ob die Sperrfrist in beide Richtungen spielt. Der relevante Satz im Gesetz lautet: «Wurden Einkäufe getätigt, so dürfen die daraus resultierenden Leistungen innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden». Das nach einer Einzahlung damit während dreier Jahre keine Bezüge in Kapitalform möglich sein sollen, ist mit dem Wortlaut gedeckt. Dass die Norm allerdings so verstanden werden soll, dass auch nach einem Kapitalbezug innerhalb von drei Jahren getätigte Einkäufe missbräuchlich sein sollen, ist zumindest fragwürdig. Gewisse kantonale Steuerverwaltungen fahren hier eine strenge Linie, so schreibt z.B. der Kanton Thurgau in der Thurgauer Steuerpraxis (StP 34 Nr. 14 Einkauf Beitragsjahre in die berufliche Vorsorge und Kapitalbezug, Ziffer 2): «Die dreijährige Sperrfrist gilt auch für den umgekehrten Fall, d.h. bei einem Kapitalbezug mit anschliessendem (Wieder-)Einkauf innerhalb von drei Jahren. Für die Anwendung von Artikel 79b Absatz 3 BVG spielt es somit keine Rolle, in welcher Reihenfolge Kapitalbezug und Kapitaleinzahlung erfolgen.» Die Kantone Aargau, Solothurn, Schwyz und Luzern, teilweise auch Zürich, scheinen eine analoge Handhabung zu haben, wenngleich nicht in allen dortigen Steuerbüchern/FAQs dazu etwas festgehalten ist.

Umgekehrt hält der Kanton St. Gallen fest (St.Galler Steuerbuch StB 45 Nr. 13, Ziffer 4.2): «Eine (analoge) Anwendung der Sperrfrist von Art. 79b Abs. 3 BVG auf Kombinationen von Kapitalbezügen mit nachgelagerten Einkäufen, wie sie einzelne Kantone praktizieren, erfolgt nicht. Solche Konstellationen werden indes auf ihre Vereinbarkeit mit den allgemeinen Voraussetzungen der Steuerumgehung geprüft.» Diese Handhabung ist z.B. auch aus den Kantonen Bern oder Schaffhausen zu vernehmen. Betrachtet man die Rechtsprechung vor 2006, die zur Einführung des Artikels 79b Abs. 3 BVG führte, sowie die Rechtsprechung nach Einführung dieses Artikels, ist immer wieder von der missbräuchlichen Verwendung der Vorsorgeeinrichtung als «Kontokorrent zu Steuerminimierungszwecken» zu lesen. Bei einer Entnahme von Geldern und deren Wiedereinkauf ist dieser Tatbestand nicht ohne Weiteres gegeben, ganz besonders dann nicht, wenn dereinst eine Rente bezogen wird. Es ist nach Meinung der Autoren weder Wille des Gesetzgebers noch dem Wortlaut von Art. 79b Abs. 3 BVG zu entnehmen, dass die Sperrfrist verobjektiviert auch umgekehrt gilt. Eine Prüfung hinsichtlich Missbrauchs/Steuerumgehung ist im Einzelfall aber durchaus legitim, so wie das das Bundesgericht beispielsweise im Entscheid 2C_62/2017 vom 12. Juni 2017 tat, wo es aber explizit keine Aussage dazu machte, dass die Sperrfrist per se auch umgekehrt anzuwenden sei.

Berücksichtigung ausländischer Vorsorgeguthaben

In diesem Punkt zeigt sich der Unterschied zwischen Vorsorgerecht und steuerlichen Überlegungen in geradezu eklatanter Weise. Um gutverdienende Zuzüger davon abzuhalten, sich massiv in Pensionskassen einzukaufen (die Vorsorgelücken sind aufgrund der fehlenden Beitragsjahre und des hohen Einkommens bei solchen Personen typischerweise hoch), um nach ein paar wenigen Jahren wegzuziehen und (nach Ablauf der Sperrfrist) Kapital privilegiert zu beziehen, wurde der Artikel 60b BVV2 eingeführt. Dieser soll den genannten «Steuertrick» vermeiden. So schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen in der «Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 86», Randziffer 501: «Bei der Vorschrift von Art. 60b BVV2 geht es um eine pauschale Berücksichtigung allfälliger – nicht kontrollierbarer – ausländischer Vorsorgeguthaben des Versicherten bei Einkäufen».

In jüngerer Vergangenheit scheinen Steuerverwaltungen jedoch auch nach Ablauf der fünf Jahre die Zulässigkeit getätigter Einkäufe in die Pensionskasse mit der Begründung verweigern zu wollen, dass Guthaben in ausländischen Vorsorgeplänen von der errechneten Einkaufskapazität in Abzug zu bringen sind. Auch das «Merkblatt BVG – Sich häufig stellende Fragen (FAQ)» der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz lässt darauf schliessen, dass ausländische Vorsorgeguthaben berücksichtigt werden sollen. Obwohl man den Grundgedanken allenfalls nachvollziehen kann, ist dieses Vorgehen kaum praktikabel. Nur schon die Frage, ob ein ausländischer Plan unserem Beitragsprimat entspricht und damit ein Guthaben besteht, welches die Versicherte dereinst garantiert erhalten wird (und welches man deshalb anrechnen sollte), ist nicht immer einfach zu beantworten, diverse ausländische Systeme garantieren nur Anwartschaften, wie bei uns die AHV. Dass man eine für diesen Sachverhalt verfasste Missbrauchsbestimmung «übersteuert» und durch Praxisanweisungen weitere Einschränkungen schafft, ist aus Optik Rechtssicherheit wenig sinnvoll. Ein Indiz dafür, dass das nicht so vorgesehen sein dürfte, ist auch der Anwendungsfall A.9.1.3 «Guthaben in ausländischen Vorsorgeplänen» der SSK. In den dortigen (letztmals im November 2023 überarbeiteten) Erläuterungen wird Verschiedenes zur Einkommens- und Vermögenssteuer ausgeführt, jedoch nichts, was darauf hindeutet, dass die SSK der Meinung ist, dass solche Guthaben an Einkaufslücken in schweizerischen Vorsorgeplänen angerechnet werden sollten.

Plangestaltungen bei Selbständigerwerbenden sowie Klein- und Kleinstunternehmen

Die Frage von unzulässigen Sonderlösungen im Sinne von «à la carte-Versicherungen» ist wohl fast so alt wie das BVG selbst. Auch mit der Regelung betreffend Kollektivität in Art. 1c BVV2 wurde nur bedingt Rechtssicherheit geschaffen. Die Frage, ob es wirklich korrekt ist, dass Selbständigerwerbende sich nur der Vorsorgeeinrichtung ihres Berufs oder ihrer Arbeitnehmer bzw. der Auffangeinrichtung anschliessen dürfen, ist das eine. Wieso man echte ANOBAGs auch nur wie Selbständigerwerbende versichern darf, ist eine andere Frage. Hier ist die Rechtslage jedoch klar: Will man das ändern, ist eine Gesetzesanpassung vonnöten, was im Rahmen der BVG-Revision vorgesehen ist. Kontroverser zu betrachten sind Situationen, in welchen sich Personen (gegebenenfalls sogar nur eine Person, die nicht plant, jemals Angestellte zu haben) bei einer AG oder GmbH (regelmässig der selbstkontrollierten) beschäftigt ist.

Diese Personen müssen sich aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Gesetzgebung in der Pensionskasse versichern, sobald ihr Lohn die Eintrittsschwelle (22050 Franken im Jahr 2024) erreicht, denn sie gelten als Angestellte. Wie diese Pläne ausgestaltet sein dürfen, damit sie steuerlich zulässig und nicht als «à la carteVersicherung» qualifizieren, ist jedoch sehr unpräzise. Man ist beinahe geneigt, einen Fussballvergleich zu bemühen: War es Handspiel im Strafraum ja/nein, muss der VAR eingreifen? So auch hier: Es gibt Lösungen, die sind klar zulässig (ein BVG-Minimalplan muss schon aufgrund der erwähnten gesetzlichen Bestimmungen ohne Weiteres zulässig sein). Umgekehrt gibt es Gestaltungen, die einem Drittvergleich offensichtlich nicht standhalten (voll arbeitgeberfinanzierter Plan, sehr hohe Sparquoten usw.) und deren Akzeptanz steuerlich nicht gegeben ist, selbst wenn die vorsorgerechtlichen Grundsätze eingehalten wären. Viele Gestaltungen liegen jedoch irgendwo dazwischen und sind «im Einzelfall zu beurteilen». Bereits seit 2007 führt die SSK in diesem Zusammenhang ihren Anwendungsfall «Berufliche Vorsorge des Arbeitnehmeraktionärs einer Einmann-Aktiengesellschaft». Gewisse Eckpunkte sind daraus ersichtlich, ein gewichtiger Punkt ist sicher, dass auch solche Personen überobligatorische Pensionskassenlösungen haben dürfen. Dies bezieht sich nicht nur auf sogenannte «umhüllende», sondern auch auf gesplittete Vorsorgelösungen, in denen z.B. Lohnbestandteile bis 132 300 Franken (Stand 2024) in einer Basisvorsorge und Lohnbestandteile über dieser Schwelle in einer Kadervorsorge (z.B. einem 1e-Plan) versichert sind. Wo die Grenzen einer solchen Gestaltung liegen, hat Praxis und Gerichte immer mal wieder beschäftigt, jedoch darf man festhalten, dass Vorsorgelösungen, welche nicht offensichtlich auf die Mitarbeiteraktionärin massgeschneidert waren, durchaus von den Steuerämtern akzeptiert wurden. Dies erfolgt mitunter auch mit Blick auf die Ausführungen der SSK. Die Beurteilungen erstreckten sich auch auf Konstellationen in KMU, bei welchen mehrere Mitarbeitende in einem Unternehmen tätig sind, jedoch nur die mitarbeitende Aktionärin den notwendigen Lohn erreicht, um im Kaderplan versichert zu sein. Zu dieser Konstellation ist der Anwendungsfall A.2.2.3 der SSK erhellend. Leider hat das Bundesgerichtsurteil 9C_613/2022 vom 20. April 2023 in diesem Bereich für zusätzliche Unsicherheit gesorgt. Es qualifizierte, wie schon die Vorinstanz, einen BVG-Anschluss im Kaderbereich als unzulässig, da die Aufnahme weiterer Personen in diesen Plan als unrealistisch angesehen wurde. Die Argumentation, dass realistischerweise früher oder später effektiv eine weitere Person aufgenommen werden muss, um das Kriterium der Kollektivität zu erfüllen, widerspricht auf den ersten Blick der bisherigen Praxis, dass eine virtuelle Kollektivität zulässig ist, solange das Vorsorgereglement den Anschluss weiterer Angestellter an den Vorsorgeplan vorsieht. Obwohl gewisse Steuerämter nun scheinbar eine noch strengere Handhabung bei Ein-Mann-/Ein-Frau-Kapitalgesellschaften für legitim erachten, sind wir der Meinung, dass bei vorsorgerechtlich korrekten Plänen, welche dem Drittvergleich standhalten, nicht per se von «à la carte-Versicherungen» ausgegangen werden kann, auch wenn es äusserst wahrscheinlich ist, dass immer nur eine Person versichert sein wird. Wieso sollte einer Ärztin, welche nach vielen Jahren in einem grossen Spital (mit einer solide ausgebauten Vorsorgelösung inklusive Kaderplan) verwehrt werden, eine analoge Lösung für Ihre Arztpraxis vorzusehen, im Wissen darum, dass sie immer allein im Kaderplan sein wird? Wie erwähnt, die Beantwortung solcher Fragen hängt immer von den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls ab. Sicher ratsam ist es, nach Möglichkeit echte Kollektive zu versichern und keine Angestellten «künstlich» aus einem Kaderplan rauszuhalten, in dem man z. B. ein mässig sinnvolles Kollektiv oder eine zu hohe Eintrittsschwelle vorsieht.

Blick in die Zukunft

Änderungen ab dem 1. Januar 2024 aufgrund der AHV-Reform

Am 1. Januar 2024 trat die Reform AHV 21 in Kraft. Neben bestens bekannten Änderungen in der ersten Säule sind im Rahmen dieser Reform auch Artikel im BVG und der Freizügigkeitsverordnung (FZV) ergänzt und angepasst worden. Aus steuerlicher Optik spannend sind insbesondere zwei Anpassungen:

• Art. 13a Abs. 2 BVG: Teilbezug der Altersleistung

Hier wird im Zusammenhang mit Teilpensionierungsschritten neu geregelt: «Der Bezug der Altersleistung in Kapitalform ist in höchstens drei Schritten zulässig. Dies gilt auch, wenn der bei einem Arbeitgeber erzielte Lohn bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen versichert ist».

Die Frage, wie man mittels Teilpensionierungsschritten Vorsorgegelder gestaffelt beziehen kann, und so (insbesondere in Kantonen mit hoher Steuerprogression) steuerliche Optimierungen erzielen kann, hat zu einer unübersichtlichen kantonalen Praxis geführt. Die meisten Steuerverwaltungen in der Schweiz hatten (publizierte oder nicht publizierte) Richtlinien, welche die minimale Reduktion des Beschäftigungsgrads, die maximale Anzahl Teilkapitalbezüge im Rahmen von Pensionierungsschritten und die Dauer zwischen den einzelnen Schritten definierten, damit diese steuerlich anerkannt wurden. Mit der neuen Vorgabe im BVG, was vorsorgerechtlich akzeptiert wird, dürfte eine Vereinheitlichung der Praxis resultieren. Die Steuerverwaltung Zürich kündigte im Rahmen von Informationsveranstaltungen an, zukünftig ebenfalls drei Kapitalbezüge (und nicht wie bisher zwei) zu akzeptieren und auch die erforderlich Mindestreduktion des Arbeitspensums von 30 auf 20 Prozent zu senken. Die 20 Prozent (jedenfalls beim ersten Teilpensionierungsschritt) sind neu ebenfalls in Art. 13a BVG vorgesehen (Abs. 3). Zu erwähnen ist, dass die Steuerverwaltungen wohl auch altershalber bezogene Freizügigkeitsleistungen im Rahmen der maximal drei Kapitalbezüge mitberücksichtigen dürften.

• Art. 16 FZV

Ab dem 1. Januar 2024 lautet der Art. 16 Abs. 1 FZV wie folgt: «Altersleistungen von Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonten dürfen frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Referenzalters ausbezahlt werden. Sie werden bei Erreichen des Referenzalters fällig. Weist die versicherte Person nach, dass sie weiterhin erwerbstätig ist, so kann sie den Leistungsbezug höchstens fünf Jahre über das Erreichen des Referenzalters hinaus aufschieben» (Hervorhebung durch den Autor) (Autor: Was soll hier hervorgehoben werden?).

Vergleicht man den Wortlaut mit dem bis 31. Dezember 2023 geltenden Artikel 16 FZV, ist es offensichtlich, dass hier eine Veränderung stattfindet. Die Tatsache, dass man Freizügigkeitsguthaben (anders als Gelder in aktiven Pensionskassen oder Säule 3a-Guthaben) ohne weitere Anforderungen im steuerprivilegierten Vorsorgekreislauf belassen konnte, war verschiedenen Exponenten schon längere Zeit ein Dorn im Auge, so z. B. der SSK. Diese bemerkte schon seit dem Jahr 2008: «Diese freie Wahl des Auszahlungszeitpunkts und damit auch des Besteuerungszeitpunkts erscheint allerdings nicht gerechtfertigt» sowie «Die Verordnungsbestimmung von Art. 16 Abs. 1 FZV sollte deshalb bei nächster Gelegenheit angepasst […] werden». Diese Anpassung erfolgte nun per 1. Januar 2024. Es gibt im Rahmen der Umsetzung allerdings eine Übergangsfrist von fünf Jahren (bis 31. Dezember 2029), sodass nicht bereits jetzt per 1. Januar 2024 steuerliche «Zwangsüberführungen» von Freizügigkeitsguthaben resultieren. In der Pensionierungsplanung ist diese Änderung jedoch ab sofort zu berücksichtigen.

BVG-Reform

Über die BVG-Reform wird voraussichtlich im Jahr 2024 abgestimmt werden. Diese Reform enthält in der vorgeschlagenen Fassung kaum Neuerungen, welche direkt mit den Steuern zu tun haben. Es wird aber natürlich, je nach Abstimmungsergebnis und konkreter Umsetzung, dann schon Punkte geben, welche auch die Steuerverwaltungen beschäftigen könnten. Zu denken ist an den Rentenzuschlag, welcher sich für die Übergangsgeneration anhand des

vorhandenen Vorsorgevermögens orientiert. Hier wird sicherzustellen sein, dass kein Missbrauch betrieben wird (z. B. durch Nicht-Einbringen von Freizügigkeitsguthaben), wofür möglicherweise Steuerverwaltungen und Vorsorgeeinrichtungen gleichermassen in die Pflicht genommen werden. Sicher spannend würde auch die neue Möglichkeit von Selbständigerwerbenden, sich «einer anderen Vorsorgeeinrichtung, die dies in ihrem Reglement vorsieht» anzuschliessen.16 Wie schon in Punkt 2.3.3. ausgeführt, wird auch in diesen Vorsorgeplänen zu prüfen sein, ob es sich möglicherweise um steuerlich nicht zulässige «à la carte-Lösungen» handeln könnte. n

Fazit

Seit Inkraftsetzung des BVG und auch nach einer Reform, im Rahmen derer zahlreiche steuerliche Regelungen ins Gesetz übernommen wurden, sorgen Fragestellungen im Bereich Vorsorge/Steuern immer mal wieder für Arbeit in den Verwaltungen und an Gerichten. Auch Beraterinnen und Berater sind gefordert, sich innerhalb der beiden grossen Themengebiete umsichtig zu bewegen. Eine für alle nicht immer einfache Aufgabe, doch mit der Idee «Vorsorge stärken» und nicht der Idee «Steuern sparen» vor Augen, ist man sicher auf gutem Weg.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Trex – Die Fachzeitschrift für den Praktiker.

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Cyrill Habegger
Leiter Steuern, dipl. Steuerexperte